Perutagebuch

Montag, August 08, 2005

Im Südwesten nicht Neues (Perutagebuch Teil 4)

Mal ein paar kurze Ergaenzungen zu den letzten Tagen:

Wir waren die Tage Sterne schauen. Das ist ja hier auf der Suedhalbkugel alles anders. So dreist wie wir sind haben wir uns also in eine der dunklen Seitengassen gestellt und mal versucht, die Sternbilder der alten Seefahrer zu entziffern. Das Kreuz des Suedens haben wir leider nicht gesehen. Vielleicht zu viel Licht, zuviele Haeuser drumherum oder die Kuerze der Zeit (durch Panik vor boesen Menschen, die sich Nachts in so mancher Gasse herumtreiben koennen). Naechstes Wochenende haben wir aber geplant, eine 2 Tagestour in die Berge zu machen. Mit Zelt und dann einen hoffentlich ungestoerten Blick in den Himmel.

Meine ersten Erfahrungen als Exot habe ich hinter mir. Auf unserem Weg in die Randzonen von Huaraz, haben uns mehrere Kindergruppen als Thema des Tages entdeckt. Von kurzem Verfolgen, an den Baendern des Rucksacks ziehen, neckend schupsen bis unter Decken verstecken war alles drin. Vor allem eines: Lachen!

Ich habe frischgepressten Ananassaft als mein nichtalkoholisches Lieblingsgetraenk entdeckt. Sehr zu empfehlen. Und das, bei den hier sowieso ganz anders schmeckenden Fruechten. Ein MUSS fuer jeden Perubesuch.

Wenn ich schon wieder bei den kulinarischen Koestlichkeiten bin: Alpaca eignet sich nicht nur als Pullover. Auch in Wein ein Genuss!

Ich habe Bastis Digitalkamera-USB Kabel wahrscheinlich im Flugzeug oder in Lima verschlampt. Photos sind aufgrund dessen zur Zeit an diesem Platz nicht moeglich. Ich versuche mich um Ersatz zu kuemmern.

Aus dem Abend mit den 3 Hollaenderinnen wurde ein Abend mit 5 Hollaenderinnen, einem Hollaender, einer Englaenderin, einem Englaender und unseren Wenigkeiten. Keine Ahnung, wo die ganzen Hollaender herkommen. Das Land ist doch dafuer gar nicht gross genug. Unser Hotel ist auch von ihnen bevoelkert.

07.08.2005: Ein fuer mich typischer Domingo, wie er im Buche steht. Er bestand aus ein paar Brocken Spanisch lernen, mittags essen gehen, nachmittags mit Mariannas und Omars Familie schwatzen und abends essen gehen. Diese Familie habe ich ja wirklich in mein Herz geschlossen. So freundlich und aufgeschlossen. Das lustige daran ist, dass wir sie immer wieder treffen. Am Samstag beim Kartenkauf vollkommen unerwartet hinter mir die Kinderstimmen: "Sebastian!" Heute haben wir uns in der Trefferquote noch gesteigert: zweimal in der Stadt getroffen. Wie es funktioniert hat weiss ich nicht, aber das eine mal davon haben wir uns ueber eine halbe Stunde unterhalten. Und kaum waren sie weg, wurden wir von unserem Stammtaxifahrer gegruesst. Er steht - scheinbar fuer uns - frueh morgens immer vorm Hotel. ¿Kann man ihn da schon als Chauffeur bezeichnen? Man wird halt so langsam heimisch.
Abends hatten wir dafuer eine sehr traurige Erfahrung. Man weiss zwar, dass man in ein Entwicklungsland faehrt, man weiss, dass man viel Elend sehen wird, aber genau vorstellen kann man es sich nicht. Nicht vorher, und auch nicht hinterher. Eventuell haben wir jetzt den Hauch einer leichten Ahnung davon bekommen. Mit Sicherheit sind wir um eine Lebenserfahrung reicher.

08.08.2005: Tag des Hochs und Tag des Tiefs:
@mein liebstes Bruderherz: diese Stelle bitte ueberspringen!
Juhu, ich habe heute meine erste Naht machen koennen. Und es ging richtig gut (naja, das wahre Ergebnis sehe ich ja erst naechste Woche)! Soviel zu dem Positiven meiner heutigen Taetigkeit. Astrid habe ich heute so einiges an Arbeit ueberlassen. Sie hatte heute einen verdammt guten Tag und arbeitete, und arbeitete, und arbeitete, und...!
Dann kam mal wieder was fuer mich: eine Extraktion (37 - fuer die eingefleischten Auskenner unter euch). Nach kurzem Versuch, da irgendetwas zu lockern, brach die kariesgeschwaechte Krone vollkommen auseinander. Es folgten weniger erfolgreiche Versuche irgendwie an die Wurzeln zu kommen. Dann nach 20 Minuten der Notruf... weitere 20 Minuten spaeter kam unser Zahnarzt Cesar froehlich pfeifend zur Tuer rein, und alles wurde gut.
@mein liebstes Bruderherz: hier weiterlesen!
Das Highlight des Tages bestand in der Inbetriebsetzung des alten Winkelstuecks (dieser Bohrer da, den jeder vom Zahnarzt kennt). Die juengere Generation von euch kann sich da sicher keine Vorstellung machen. Fest im Stuhl installiert: ein kleiner Motor. Bis hierhin ja nichts ungewoehnliches. Aber dieser Motor trieb einen ganz normalen Strick an, der ueber etliche Gelenke umgespannt wurde, mit dem Hintersinn letztendlich mit diesem Winkelstueck halbwegs frei arbeiten zu koennen. Diese Technik passt jedenfalls wunderbar zu der Zahnarzteinheit im 50er Jahre Stil, und der an die Zwanziger Jahre angelehnten Roentgeneinrichtung.
Heute war ich etwas schlauer, und wir sind auf dem Rueckweg vom Kloster getrampt. Dies schien mir zumindest sicherer als der Hundeparkour. Ausserdem waren mal wieder alle Collectivos bis zum Bersten mit Peruanern gefuellt, und die Taxis konnte man bei der schon fortgeschrittenen Daemmerung eh nicht mehr von den anderen Autos unterscheiden... im uebrigen kann man dies auch bei Tageslicht nicht! Mitgenommen wurden wir von drei Bauarbeitern, zwar wieder sehr kuschelig, aber nicht mehr auf dem Boden... und die Musik spielte!
Morgen werden wir in die Doerfer der Umgebung fahren, mit einer nagelneuen mobilen Einheit. Sie erinnerte mich ein bisschen an Steffens Massagetisch. Alles sehr kompakt verpackt, und "Simsalabim!" steht ein kompletter Zahnarztstuhl vor dir. Mit Armlehnen, Speibecken und das ganze (laut Astrid) auch noch mit mehr Sitzkomfort als an der Uni. Ich werde morgen mal kurz Platznehmen.


Fortsetzung folgt...